FREIRAUM
Wunschkunden finden – Marketing Irrlichter
Ein Kommentar ohne Schönreden
Was wirklich dahinter steckt
Der Mythos vom Wunschkunden
„Du startest gerade dein erstes Business? Ich helfe dir, deine Wunschkunden zu finden“ – über diese Schlagzeilen stolpert man andauernd.
Unzählige Onlineangebote und Coachingtipps versprechen uns das. Aber zuerst die Basics. Definieren wir den Begriff Wunschkunde. Hier liegt schon der Hund begraben.
Es gibt keine wissenschaftliche Definition von Wunschkunde. Aber, oder gerade deshalb gibt es viele Irrtümer in diesem Zusammenhang.
Versuchen wir es anders. Wunschkunden sind per allgemeiner Auffassung Menschen, die man gerne als Kunden hätte. So weit so gut, oder auch nur vielleicht. Der Konjunktiv ist das Stichwort.
Obwohl man vordefiniert wie dieser ideale Kunde aussieht, ist nicht bekannt ob es ihn überhaupt gibt. Man wünscht, spekuliert und hofft. Paradox so etwas als Marketingstrategie zu verkaufen.
Trotzdem ist der Trend, wohlgefällige Kunden zu planen, anstatt sich auf potenzielle Zielgruppen einzustellen, in den letzten Jahren im deutschen Sprachraum beträchtlich gewachsen.
Warum diese geografische Grenze? Der Begriff Wunschkunde findet nicht nur seinen Ursprung in der deutschen Sprache, er existiert nur hier.
Was nicht weiter verwundert, da es in der Geschichte des Marketings keine Verwendung für Fantasiekunden gibt.
Auch wenn das jetzt fast ein wenig forsch klingt: Es ist ein Fakt, und es ist wichtig, das richtigzustellen. Es ist unprofessionell mit dem klingenden Versprechen vom Wunschkunden Unternehmer zu ködern.
Irrtum 1 – Wunschkunden werden gefunden
Lassen wir den Konjunktiv beiseite. Nehmen wir als Definition: „Kunden, mit denen man gerne und gut zusammenarbeitet“. Gehen wir weiters davon aus, dass Sie von potenziellen Neukunden keinen Persönlichkeits- oder Eignungstest verlangen.
Sie sehen schon, auf was ich hinauswill. Um diese Feststellung der Kompatibilität auf persönlicher Ebene zu machen, muss man diese Kunden bereits haben. Was wiederum die Suche danach unnötig macht. Folglich ist die viel gepriesene Suche nach dem idealen Kunden ein Irrweg.
Irrtum 2 – Wunschkunden sind eine Zielgruppe
Beim Versuch, diesem Logikdilemma zu entkommen und die Lücken zu kaschieren, wird der Begriff Wunschkunde häufig mit dem der Zielgruppe vermischt. Hier besteht jedoch mehr als nur eine Diskrepanz. Es ist praktisch das Gegenteil.
Der Fehler ist leicht aufgeklärt. Sich Merkmale von Kunden zu wünschen, bzw. sie selbst zu bestimmen, ist eine Umkehr der Zielgruppenbetrachtung.
Zielgruppen bestimmen, funktioniert andersherum. Bei der Zielgruppe wird der Blickwinkel des Kunden betrachtet. Unter einer Zielgruppe versteht man im Marketing eine bestimmte Gruppe von Marktteilnehmern, die ähnliche Bedürfnisse oder Wünsche haben. Es geht darum, was der Kunde sich wünscht. Es werden Abgrenzungen formuliert, jedoch sind Ausschlussmerkmale nicht Bestandteile einer Zielgruppenbeschreibung. Nachzulesen im Wirtschaftslexikon, der gängigen Fachliteratur oder auf Wikipedia.
Irrtum 3 – Wunschkunden sind Personas
Das Persona Modell ist ebenfalls ein heißer Kandidat, um mit dem Begriff Wunschkunden verwechselt zu werden. Das ist etwas leichter nachzuvollziehen, da die Verwendung nicht so gebräuchlich ist. Abgesehen davon, ist es ein Fremdwort, was automatisch zu Spekulationen einlädt. Trotzdem ist die Gleichsetzung von Wunschkunden mit Personas ebenso falsch.
Personas sind fiktive Personenbeschreibungen, die auf anschauliche Weise einzelne Kundensegmente repräsentieren. Wobei hier nicht von Belang ist, ob oder wie gerne man sie mag. Sie zeigen auf, wie Kunden ticken und wie man sie erfolgreich ansprechen kann.
Was nicht ausschließt, dass man theoretisch auch für den gewünschten Kunden, eine Persona erstellen könnte. Das wäre jedoch absurd. Anstatt aus einem fundierten Datensatz eine beispielhafte fiktive Person zu modellieren, würde man als Ergebnis eine realistische Darstellung einer unbekannten fiktiven Person erhalten … ¬_¬ Das klingt wie eine Marketingidee aus einem Douglas Adams Roman.
Schon richtig und doch ein Irrtum
Fallweise macht es durchaus Sinn, Geschäftsbeziehungen auszusieben und sich von Kunden zu trennen, die nicht zu einem passen. Sei es für den eigenen Seelenfrieden oder die Reputation. So weit so richtig. Man spricht in diesem Zusammenhang jedoch nicht von Wunsch-, sondern von Problemkunden.
Fazit:
Das Konzept vom Wunschkunden ist kein Marketinginstrument und auch kein Erfolgskonzept. Es gibt noch nicht einmal eine Bedeutung, die man fehlerfrei zuordnen kann. Das Versprechen vom Wunschkunden finden ist reine Bauernfängerei und bleibt ein leeres Versprechen.
Zumindest klingt Wunschkunde total super. So selbstbestimmt, motivierend und zukunftsträchtig. Zweifelsfrei sehr hübsch formuliert. Tatsächlich jedoch trügerisch, inhaltslos und falsch. Auf unserer Bullshit Bingo Skala verleihen wir dem Begriff Wunschkunden drei von drei Einhornkackhaufen.
Alin Rössler
Freiraum – der Marketing Blog für mehr Rückenwind
Share
