FREIRAUM
Rebranding
Teil 7 – Worst Case Beispielanalysen, was alles schief gehen kann
Das Gute an Fehlern …
ist, man muss sie nicht selber machen, um daraus zu lernen.
In diesem Blogbeitrag finden Sie Beispielanalysen echter Worst Cases aus der Praxis. Das ein oder andere Schmunzeln wird sich nicht verhindern lassen, aber bleiben wir sachlich.
Folgende Beispiele zeigen, wo, wie, was, warum alles passieren kann. Damit Sie für Ihr Rebranding Projekt eigene Lehren daraus ziehen und entsprechend Vorsichtsmaßnahmen treffen können.
Szenario 1 – Die Marke erleidet einen Identitätsverlust
Eine weltweite Organisation, die sich zum Ziel genommen hat, Menschen beim Abnehmen zu helfen, hat mit dem Rebranding auf einen Schlag sowohl Name als auch Markenzeichen geändert. Das wäre im Prinzip kein Problem.
“Weight Watchers” heißen nach 55 Jahren nur noch “WW”. Wobei “WW” nicht für “Weight Watchers”, sondern “WW” für “Wellness that Works” steht. Logisch oder?
Logisch sind jedenfalls fragende Blicke, zynische Kommentare und verwirrte Kunden.
Was waren die Fehler?
Hier ist in der Markenentwicklung praktisch alles schief gegangen. Unabhängig vom Verwirrfaktor wurde der Markenname einfach dem Trend “Body Positivity” angepasst, ohne dass sich tatsächlich etwas geändert hätte. Es geht ums Abnehmen und Kalorien zählen – immer noch. Schwindel ist besonders bei diesem Thema kontraproduktiv.
Namefinding: Der neue Markenname macht eher den Eindruck eines Claims, besonders in Verbindung mit dem WW Logo.
Design: Die Bildmarke, die auch alleine verwendet wird, überlässt es dem Betrachter, den Sinn zu finden. Generell eher technisch und weit entfernt vom erwünschten Wellness-Feeling. Böse Zungen könnten sagen: “Wow, echt fett das neue Logo”.
Technologie: Wer sich fragt, warum die Webadressen nach wie vor auf Weight Wachters laufen. “WW” ist zu kurz für eine erlaubte Domain. Es braucht mindestens drei Buchstaben. Noch ein Epic Fail. “Wellness-that-Works” ist hingegen ungünstig lang für eine Domain.
Kommunikation: Das Unternehmen hat es vermieden, dem Thema des Anstoßes ehrlich zu begegnen oder mit einer Vision für die Zukunft zu verbinden. Stattdessen hat man versucht, die Beweggründe zu verschleiern. Kunden durchschauen das und Kritiker warten nur darauf.
Wie kann man das besser machen?
- Wenn der Markenname das Wesen der Marke ausdrücken soll, dann muss das auch der Realität entsprechen.
- Zwei Buchstaben sind nicht genug für einen Markennamen.
- Verwechslung mit dem alten Markennamen vermeiden.
- Namentliche und optische Ähnlichkeiten mit anderen Marken vermeiden (WWF, VW).
- Prüfen, ob ein neuer Markenname wirklich nötig ist.
- Beim Rebranding nicht auf die bestehenden Kunden vergessen.
Was hat dieser Fehler gekostet?
- Identitätsverlust
- Nicht einmal Kunden wissen mehr, wie das Unternehmen eigentlich heißt.
- Es ist nicht mehr klar, für was die Marke eigentlich steht.
- Die starke Verbundenheit der Kunden, die das Unternehmen so große gemacht hat, ist verloren.
- Sympathie
- Markenwert
Szenario 2 – Buchungszahlen und Newsletter Response droppt auf Null
Ein mittelständisches Unternehmen unterzieht sich einem Rebranding. Das Unternehmen agiert im B2B Segment und informiert seine Kunden regelmäßig über neue Angebote. Ein gut funktionierendes System. Der Newsletter Versand ist der wichtigste Umsatzkanal.
Anlässlich der Umstellung wird ein Newsletter im neuen Design zur Information versandt. Um das Rebranding schmackhaft zu machen, wird der Newsletter mit einem Special Offer versehen. Trotzdem trudelt kein einziger Auftrag ein. Bei der Auswertung des Newsletters wird ein signifikanter Rückgang festgestellt.
Vorschnell wird der Fehler zunächst auf das neue Design geschoben und das Rebranding vorübergehend zurückgenommen. Eine Taktik, die Spekulationen auslöst. Ein Verkauf oder eine Aufspaltung des Unternehmens steht plötzlich im Raum.
Auf der Suche nach einer Erklärung haben Kundenbetreuer schließlich die Wahrheit ans Licht gebracht. Weder das Rebranding per se noch das neue Corporate Design waren die Auslöser. Die Kampagne zum Start war fehlerhaft.
Was ist schief gelaufen?
Im Gespräch gaben die Kunden an, den Newsletter wegen der Namensähnlichkeit in Verbindung mit einem unbekannten Logo und anderem Design für einen Betrugsversuch gehalten zu haben. Sie wurden misstrauisch, da in der Betreffzeile das neue Design nicht erwähnt wurde. Deshalb hat man lieber nichts angeklickt.
Andere Kunden wiederrum gaben an, den Newsletter richtig wahrgenommen zu haben, allerding war das “Special Offer” schlechter als die sonstigen Angebote, weshalb man auf den nächsten “normalen” Newsletter warten wollte.
Wie kann das verhindert werden?
- Stimmen Sie laufende Kampagnen und Rebranding Kampagne ab.
- Stehen Sie zu Ihren Entscheidungen. Ihre Unsicherheit überträgt sich auf Ihre Kunden.
- Informieren Sie Ihre Kunden über alle Ihnen zur Verfügung stehenden Kommunikationskanäle, um den neuen Markenauftritt zu kommunizieren.
- Richten Sie beim Rebranding Newsletter den Fokus nicht auf ein Angebot. An erster Stelle – sprichwörtlich – also in der Betreffzeile – sollte das Rebranding Thema sein.
- Ein Special Offer sollte auch special sein. Gestalten Sie das Rebranding Roll-out genauso einzigartig wie ihr neues Branding.
Was hat dieser Fehler gekostet?
- Mehraufwand für Troubleshooting im Marketing
- Kurzfristiger Umsatzeinbruch
- Verunsicherte Kunden
- Höhere Preissensibilität. Kunden werden neue Angebote skeptischer betrachten.
- Die Kampagne hinterlässt einen unprofessionellen Beigeschmack.
- Die neue Marke ist beschädigt.
Szenario 3 – Kunden befürchten, dass die Rebranding Kosten auf sie abgewälzt werden und lösen Shitstorm aus
Ein Unternehmen unterzieht ihrem in die Jahre gekommenen Markenauftritt einem Rebranding. Eine Teaser Kampagne, die auf das bevorstehende Rebranding aufmerksam machen sollte, verunsichert die bestehenden Kunden und löst so einen Shitstorm aus, weil sie Preiserhöhungen orten.
Völlig aus der Luft gegriffene Vermutungen mutieren im Netz schnell zu Fake News. Böse Kommentare überschwemmen die Social Media Kanäle des Unternehmens. Hotlines laufen heiß.
Warum ist das passiert?
Eigentlich ist eine Teaser Kampagne eine sehr gute Möglichkeit, ein Rebranding einzuläuten und Kunden zu informieren. In diesem Fall sind zeitgleich die Preise der Konkurrenz gestiegen. Was wiederum die Kunden dazu veranlasst hat, zu vermuten, dass auch ihre Kosten steigen werden, um diese Kampagne zu finanzieren. Da es sich um einen Billiganbieter handelt, waren die Kunden besonders preissensibel.
Wie kann das verhindert werden?
Im Billigpreissegment zählt der Preis mehr als das Drumherum. Diesem Aspekt – also dem Markenkern – wurde zu wenig Beachtung geschenkt. Zudem wirkt eine aufwendige Kampagne teuer und passt nicht zur Zielgruppe. Die Preiserhöhung der Konkurrenz war nur ein ungünstiger Push-Faktor. Hätte man darauf geachtet, die Identität als Billiganbieter nicht aus den Augen zu verlieren, wäre das trotzdem nicht passiert.
- Eine Teaser Kampagne darf neugierig machen, jedoch nicht verunsichern.
- Die Kunden müssen versichert sein, dass auch wenn was Neues kommt, das, was ihnen am wichtigsten ist – der Preis in diesem Fall – nicht vom neuen Markenerscheinungsbild beeinflusst wird.
Was hat dieser Fehler gekostet?
- Fanstatus
- Nerven im Call Center
- Zusätzliche Agenturkosten für Social Media Troubleshooting
- Zusätzliche Agentur- und Werbekosten zur Adaption der Kampagne
- Imageverlust
- Geplante zukünftige Preisanpassungen auf Weiteres ausgeschlossen
Szenario 4 – Die Belegschaft verursacht Backlash nach erfolgtem Rollout
Ein heimisches Unternehmen mit Standorten in ganz Österreich erhält einen neuen Namen und ein neues Branding. Das Rebranding ist vollzogen und die Kunden lieben es. Die Einführungskampagne war ein voller Erfolg. Geschäftsführung, Agentur, Kunden – alle sind zufrieden.
Jedoch hat besagtes Unternehmen es unterlassen, die eigenen Mitarbeiter ins Boot zu holen und vom neuen Markenauftritt zu überzeugen. Die Mitarbeiter fühlen sich übergangen und lehnen die neue Marke auf breiter Front ab. Kein Zwergenaufstand, sondern ein Desaster ist die Folge.
An Kunden werden nach wie vor alte Folder ausgegeben. E-Mail Signaturen werden nicht umgestellt. Sogar für Verträge und sensible Dokumente werden Drucksorten mit dem altem Firmennamen und Logo verwendet. Das ist besonders heikel, da der alte Firmenname von einer abgespaltenen neuen Firma weitergeführt wird. Die Rechtsabteilung springt im Dreieck und die Kunden sind zunehmend verunsichert.
Hilfesuchende Kunden wollen wissen, ob neue Verträge mit altem Briefkopf gültig sind. Das Callcenter trägt seinen Teil zur endgültigen Katastrophe bei. Da auch dort die Meinung vorherrscht, dass das Rebranding total unnötig war und keine Einsicht herrscht. Die negative Stimmung überträgt sich auf die Kunden. Aus Verunsicherung wird Empörung.
Warum ist das passiert?
Mehrere Faktoren spielen hier zusammen. Menschen sind Gewohnheitstiere und trennen sich nur schwer von gewohnten Dingen. Mitarbeiter identifizieren sich mit der Marke. In diesem Fall hatte das alte Logo sogar einen betriebsinternen Nickname. Hinzu kommt, dass die Mitarbeiter sich mit den herkömmlichen Geschäftsunterlagen und Werbematerialien schon gut auskennen und die nötigen Infos schneller finden. On top der Umstand, dass die Mitarbeiter sich ungehört und bevormundet fühlen.
Wie kann das verhindert werden?
Um der Belegschaft die Veränderung schmackhaft zu machen, braucht es gute Argumente, Motivation und eine Eingewöhnungsphase.
- Holen Sie Ihre Mitarbeiter mit ins Boot.
- Erwägen Sie eine eigene Mitarbeiterkampagne.
- Stellen Sie das neue Branding nicht nur im großen Rahmen vor.
- Briefen Sie zusätzlich jede Abteilung und holen Sie sich Feedback.
- Stimmen Sie Ihre Mitarbeiter positiv ein.
- Geben Sie für ausreichend Zeit zur Umgewöhnung.
- Entfernen und ersetzen Sie die alten Drucksorten auf jedem einzelnen Arbeitsplatz.
- Informieren Sie Lieferanten, dass alte Drucksorten nicht mehr produziert werden dürfen.
Erfahren Sie mehr dazu, wie Ihr Rebranding auch innerbetrieblich zur Erfolgsgeschichte wird.
Was hat dieser Fehler gekostet?
- Reputation
- Markenvertrauen
- Erhöhte Zögerlichkeit bei Neukunden
- Schwache Ergebnisse im Up-Selling und Cross-Selling
- Die zweite Welle der Roll-out Kampagne blieb unter Erwartung
- Zusätzliche Ressourcen für Trouble Shooting
- Blockade der Marketingabteilung durch innere Querelen
Szenario 5 – Mitarbeiter sind begeistert vom neuen Branding und kreieren von Ungeduld getrieben eigene Versionen
Ein heimisches größeres Unternehmen bekommt ein neues Logo und ein Corporate Design. Der Umwelt zuliebe und aus Kostengründen entscheidet man sich, Werbematerial und Geschäftsausstattung erst nach und nach zu erneuern. Prinzipiell eine solide Lösung.
Das Rebranding kommt gut an. Die Mitarbeiter freuen sich über das neue, viel schönere Logo und die neuen Farben. Die ersten Abteilungen erhalten Folder mit neuem Branding. Natürlich möchten alle anderen das neue Markenzeichen und Design auch gleich anwenden.
So wird von findigen Mitarbeitern das neue Logo aus der internen Rebranding Informationspräsentation herauskopiert und auf eigene Faust möglichst überall eingebaut. Oft mehrmals auf einer Seite – oben und unten oder gleich zusätzlich neben dem alten Logo. Und wo das Logo farblich nicht passt, wird es passend gemacht. Was bei Agentur und Marketingabteilung Schnappatmung verursachte, nachdem ein buntes Sammelsurium von Kunden gepostet und so entdeckt wurde.
Wie kann das verhindert werden?
- Die Wichtigkeit der einheitlichen Verwendung erklären.
- Zuarbeitenden Freelancern und Agenturen einen professionellen Designguide zur Verfügung stellen.
- Das neue Logo für alle Anwendungsbereiche aufbereitet zum Download zur Verfügung stellen.
- Einen für Laien verständlichen Design Guide speziell für Mitarbeiter erstellen lassen.
- Dos und Dont’s im Designguide veranschaulichen.
- Genau festlegen, wer mit dem Markenzeichen was genau machen darf.
- Im Zuge des Rebrandings Musterdokumente gleich mitbeauftragen.
- Einen Verantwortlichen zur Einhaltung des Corporate Designs berufen.
Was hat dieser Fehler gekostet?
- Holpriger Start der Markeneinführung
- Geschwächte Wahrnehmung der neuen Marke
- Geschwächter Wiedererkennungswert
- Unprofessioneller Gesamteindruck
Szenario 6 – Die neue Marke verstößt gegen urheberrechtliche Bestimmungen
In diesem Fall ist die europaweite Eintragung der neuen Bildmarke beim Patentamt abgelehnt worden. Das Logo kollidierte mit dem Markenzeichen eines nationalen Volkshelden in einem Land, in dem eine Expansion geplant war. Das Problem wurde spät, aber noch rechtzeitig erkannt, um rechtliche Folgen und einen Shitstorm zu verhindern. Für das Rebranding bedeutete das jedoch Full Stop und zurück an den Start.
Wie kann so etwas passieren?
Bevor ein Design präsentiert wird, sollten die verantwortlichem Kreativen ihre Entwürfe auf eventuelle Ähnlichkeiten prüfen. Nicht immer ist die Lage eindeutig. Kreative sind keine Patentanwälte und eine Markenprüfung durch Anwälte für jeden einzelnen Designvorschlag ist in der Praxis nicht umsetzbar. Wenn Zweifel aufkommen oder Fragen bleiben, kann man den Vorschlag unter Vorbehalt trotzdem präsentieren.
In diesem Fall hatte die Agentur keine Kenntnis über bevorstehende Expansionspläne. Bei der Recherche wurden nur bestehende Länder berücksichtigt. Die Projektverantwortlichen auf Kundenseite erhielten die Information zur Expansionsentscheidung erst nach Freigabe des Rebrandings.
Wie kann das verhindert werden?
Die Agentur hätte für ein international agierendes Unternehmen bei der Recherche weiter ausholen können. Der Kunde sollte dafür Sorge tragen, dass wirklich alle Bereiche des Unternehmens über das Rebranding informiert sind und wissen, welche Informationen relevant sind und wie damit umzugehen ist.
So wurde das Problem gelöst
Das Unternehmen hat entschieden, das Rebranding so zu verwenden, wie es ist und für die Expansionspläne unter anderem Firmennamen mit eigener Marke zu agieren.
Was hat das gekostet?
- Höhere Agenturkosten
- Zusätzliche Anwaltskosten
- Zusätzliche Kosten zum Markenschutz
- Zusätzliches Budget für die Entwicklung einer ganz neuen Marke
- Verlorene Zeit durch den zwischenzeitlichen Projektstillstand
Szenario 7 – Die neue Marke wird ungewollt zur Lachnummer
2008 hat Pepsi sein Markzeichen aufgefrischt. So weit, so gut, allerdings mit einem buchstäblich dicken Ende.
Zur Lachnummer wurde das Ergebnis in Verbindung mit den Kosten von einer Million Dollar und die dazugehörige Entstehungsgeschichte. Normalerweise ist es interessant, Herangehensweisen im Design zu veranschaulichen und Einblick in die Arbeit der Kreation zu geben. Dieses völlig absurde Design Dokument hingegen sorgt auch heute noch für Lacher. “Hindu tradition, Mona Lisa, Earth’s gravitational field, Sun radiation” … Die Medien haben berichtet, darunter CBS News und die Fantasie zusätzlich beflügelt. Das Ergebnis war in doppeltem Sinn wenig vorteilhaft.
Was waren die Folgen?
- Das Markenimage hat kurzfristig gelitten.
- Die Aufmerksamkeit ist kurzfristig gestiegen.
- Im Ranking der wertvollsten Marken platziert sich Pepsi vor dem Rebranding auf Platz 26 und verbessert im Jahr 2009 auf Platz 23.
Was sonst noch so alles passieren kann …
Diese Liste könnte man endlos weiterführen. Kooperationspartner weigern sich, Co-gebrandete Materialien zu ändern. Rechnungen mit dem neuen Branding werden nicht bezahlt – weil wirklich oder nur angeblich nicht erkannt … Damit wir den Rahmen nicht sprengen. Wechseln wir doch an dieser Stelle die Blickrichtung.
Erfahren Sie im 2. Teil unserer Rebranding Blogreihe – Checkliste für ein erfolgreiches Rebranding alles darüber, wie Sie mögliche Stolpersteine vorzeitig entdecken und vermeiden können.
Alin Rössler
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